Beim Niedersächsischen
Gehörlosentag in der Cloppenburger
St.-Josefs-Kirche:
Zusammen mit dem ev. Gehörlosenseelsorger Pfr.
Gerriet Neumann aus Oldenburg
Seit
dem Jahre 2001 bin ich als Gehörlosenseelsorger
im Offizialatsbezirk Oldenburg tätig.
Gottesdienstort ist Cloppenburg. Ab 2012 betreue
ich die bundesweite katholische
Gehörlosenzeitschrift "epheta" als Schriftleiter
und bin insgesamt mit einer halben Stelle in der
Gehörlosenseelsorge tätig..
Ich
bin behindert...
Als
Außenstehender denkt man ja, die Gehörlosen
seien behindert. Und das stimmt natürlich auch.
Aber nachdem ich mich in die Gemeinschaft der
Gehörlosen eingebunden hatte, kam ich mir erst
einmal selbst behindert vor - sprachbehindert.
.
Denn dort können sich alle problemlos
verständigen! Nur ich habe Mühe damit. Da kann
ich ein kleines bisschen nachfühlen, wie es
jedem Gehörlosen im Alltag ergehen mag. Für sie
ist die Gebärdensprache so etwas wie die
Muttersprache. Für mich als Hörenden wird sie
immer eine Fremdsprache bleiben.
Aber die
Gehörlosen haben mit trotz meiner
"sprachlichen Unzulänglichkeiten" so
herzlich und geduldig aufgenommen, wie ich es
noch in keiner hörenden Gemeinde erlebt habe.
Und diese Herzlichkeit und diese Geduld sind auch
nach zehn Jahren geblieben.
Manches habe
ich während meiner Arbeit gelernt. Etwa, was
Aufrichtigkeit angeht: Hinter gesprochenen Worten
kann man sich verstecken - in der
Gebärdensprache nicht. Ohne das Zeigen von
Gefühlen und ohne den passenden Gesichtsausdruck
bleibt sie unverständlich. Man muss also offen
sein für sein Gegenüber, um wirklich im
Gespräch bleiben zu können.
Reges
Gebärden bei der Versammlung
Kommunikation ist das
Wichtigste
Und auch das
Gemeindeleben der Gehörlosen kann durchaus
Anstöße geben. Es funktioniert nämlich ganz
anders als in einer "normalen"
Gemeinde. Znächst einmal, weil Gehörlose
durchweg in einer extremen Diasporasituation
leben. Die Gemeinde in Cloppenburg zum Beispiel
hat Mitglieder aus den Landkreisen Vechta und
Cloppenburg und bis weit hinein in das Emsland
nach Papenburg und Haselünne und in das
Osnabrücker Land. Man hat sich also viel zu
erzählen, wenn man einmal im Monat
zusammenkommt.
Gehörlose sind
im Alltag schließlich oft abgeschnitten von der
Kommunikation. Sie können kein Radio hören und
nur schwer fernsehen. Mit den Kollegen können
sie nur das Notwendigste besprechen. Und selbst
in der eigenen Familie ist es oft schwierig, wenn
alle Anderen Hörende sind. Das heißt, es gibt
nur einen Ort, wo man gebärden kann, wie einem
"die Hände gewachsen sind": Das ist
die Gehörlosengemeinde oder der
Gehörlosenverein.
Ev. und
kath. Seelsorger beim Ökumenischen
Gehörlosen-Kirchentag in Cloppenburg
Ökumene über
Grenzen hinweg
Darum gehört
zu jedem Gottesdienst eine Versammlung, ein
gemütliches Beisammensein. Und das dauert meist
mehrere Stunden. Denn alle wissen, es wird eine
ganze Weile dauern, bis man sich wiedertrifft.
Die Zeit miteinander ist kostbar. Gehörlose
legen dafür oft weite Strecken zurück. Ein
Vorteil: Die Gemeinden sind untereinander durch
persönliche Kontakte vernetzt. Und das geht auch
über Konfessionsgrenzen hinaus. In
Gottesdiensten und Versammlungen findet man immer
auch Mitglieder der anderen Konfessionen. In
Cloppenburg auch deswegen, weil es gar keine
andere Gemeinde gibt.
Gebärdenchor
Das wirkt sich
auch bei uns Seelsorgern aus. Ökumene ist fest
verwurzelt. In Nordwestdeutschland arbeiten die
evangelischen und katholischen Seelsorger eng
zusammen. Dabei werden die Grenzen von zwei
Bistümern (Osnabrück und Oldenburger Land im
Bistum Münster) und vier ev. Landeskirchen
(Hannover, Oldenburg, Bremen und reformierte
Kirche) mit spielerischer Leichtigkeit
überschritten.
Theater
geht auch in Gebärdensprache
Der Einzelne
zählt
Bei
Gehörlosenseelsorgern gilt es als
selbstverständlich, auf Wunsch bei Beerdigungen
und Hochzeiten mitzuwirken, auch wenn nur ein
naher Angehöriger gehörlos ist. Und auch da
hilft man sich über Konfessionsgrenzen hinweg.